Nur ein Traum
- Alina Lange
- 23. Aug. 2018
- 4 Min. Lesezeit

Als ich im Sommer 2015 nicht ins Flugzeug, welches nach Bangkok fliegen sollte, stieg, da dachte ich, dass ich nie wieder mit dem Flugzeug fliegen würde. Das war einer der schlimmsten Sommer, die ich jemals hatte. Ich bereute es zutiefst den Schritt nicht gewagt und somit auch meine Eltern enttäuscht zu haben. Doch was konnte man schon groß dagegen tun wenn dein eigener Körper sich gegen deinen Willen wehrt? Wenn jeder Schritt sich anfühlt wie 100. Wenn sich alles um dich herumdreht und du das Gefühl hast zu ersticken.
Ich hatte wahrscheinlich schon mein ganzes Leben lang eine gewisse Flugangst. Es fing zuerst mit kleinen Dingen an. Die Turbulenzen während eines Flugs, die schon als Kind zunehmend Übelkeit in mir erzeugten. Das ungenießbare Essen, was gefühlte 1000 Rundgänge durch das Flugzeug machte. Das Abwarten und nichts tun. Die Übelkeit kam selbst schon ein paar Tage vor dem Urlaub.
Ich denke, dass die Angst meine Gesundheit zu gefährden und das Rumsitzen die zwei schlimmsten Faktoren waren. Am meisten wurde mir dies auf Langstrecken-Flügen bewusst. Wenn irgendwann die Lichter ausgingen und du selbst die Augen schloss, du aber selbst ganz genau wusstest, dass du sie in 5 Minuten wieder aufmachen würdest, um auf die Uhr zu gucken. Genauso lief es bei meinem letzten Flug nach Thailand ab. Ich konnte es kaum ertragen nach 4 Stunden noch weitere 6 abzuwarten. Es bereitete mir enormen Stress.
Doch nun, nach 3 Jahren, denke ich wieder an Thailand und Vietnam, da meine Mutter im nächsten Jahr da hinfliegen wird. Ich würde sie so gerne begleiten, weil ich merke wie sehr mein Herz sich danach sehnt. Aber ich kann es einfach nicht, ich kann es einfach nicht riskieren, dass mir das ganze nochmal passiert. Dass ich nochmal die liebsten Menschen in meinem Leben enttäuschen muss. Das würde ich mir niemals verzeihen.
Doch wenn man es mal ganz nüchtern betrachten würde:
Was könnte ich alles in Thailand und Vietnam erleben?
Lohnt sich das Opfer für das Glück, dass ich dort finden würde?
Ich hatte einen Traum:
Ich wurde am frühen Morgen durch die ersten Sonnenstrahlen geweckt, die durch die Fenstergitter schienen. Schlaftrunken und mit einem Lächeln im Gesicht schließe ich wieder die Augen. Nur um von dem Krähen eines Hahnes geweckt zu werden, der bei uns unten vorm Haus immer durch die Gassen stolzierte, so als ob er die gesamte Nachbarschaft wecken wollte. Langsam richtete ich mich auf und registrierte, dass ich die große Matratze auf dem Boden ganz für mich alleine hatte. Ich ließ es mir natürlich nicht nehmen mich noch einmal darauf zu strecken. Dann schob ich das Mückennetz beiseite und schlurfte gemächlich in Richtung Treppe. Ich spürte den kühlen Steinboden unter meinen nackten Füßen und wusste insgeheim schon, dass diese wahrscheinlich gleich mal wieder staubig sein würden. Auf der Hälfte der großen Wendeltreppe beugte ich mich über das Gelände und sah meine Mutter und meine Tante, die bereits schon in den frühen Morgenstunden miteinander quatschten. "Good Morning", rufe ich runter. Meine Mutter blickte hoch. "Hi mein Schatz, soll ich dir ein Spiegelei machen? Die Eier sind ganz frisch, wir haben sie heute morgen schon auf dem Markt geholt. Und Brot." Sie hielt eine Tüte mit Baguettes hoch. Jedes einzelne war goldbraun gebacken und war perfekt geformt. "Ok danke.", meinte ich und setzte mich zu Ihnen. Während ich aß schaute ich nebenbei meine Lieblingsserie Tom und Jerry. Jedoch machte ich mir im Kopf schon mal einen Plan was ich alles die nächsten Tage machen wollte.
Ich wollte gerne:
- über den Markt spazieren und heimische Früchte kaufen und die Fische beobachten die in den Becken auf dem Fischmarkt rumschwimmen
- in dem Cafe meines Opas und meiner Tante etwas aushelfen und den Laden wieder auf Vordermann bringen
- einen Welpen meiner Nachbarn zu uns rüberholen und mit ihm spielen und auf ihn aufpassen
- durch die Gassen My Thos spazieren und wissen, dass ich ganz anders als alle anderen bin und jeder mir deswegen hinterher schaut
- meine Nägel mit kleinen Blumen bemalen lassen
- einen Frozen Joghurt in dem kleinen Cafe an der Ecke essen
- nach Saigon, der Hauptstadt, fahren und über einen Baasar schlendern
- in der Hängematte liegen und weiter Tom und Jerry gucken
- mit meiner Mutter einen Tempel besuchen und den Duft der Räucherstäbchen einatmen
- meine Uroma in ihrem Haus im Dschungel besuchen
- mit meinen Cousins und Cousinen eine Stadtrundfahrt mit Mopeds machen
- Abends durch den Freizeitpark in unserer Stadt schlendern
- mit meinen Verwandten zusammen zu Abend essen und den großen vollbepackten Tisch sehen
- durch Reisfelder streifen
- mir kostbaren Schmuck zeigen lassen
- in unser Einkaufszentrum gehen, was man aber nicht wirklich als solches bezeichnen kann
- die Aussicht auf den Mekong genießen und vorbeiziehenden Händlern auf Booten hinterherschauen
- mit meinem Lieblingcousin Saigon unsicher machen
- meine jüngsten Counsins und Cousinen von der Schule abholen
- mich hinten auf den Gepäckträger des Fahrrads meiner Tante setzen und frisches Brot am Morgen holen
-
Mein Herz sehnt sich so sehr danach.
Und nun frage ich mich:
Kann ich dafür meine Flugangst, die sich nach jahrelangen Erfahrungen aufgebaut hat, besiegen?
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